Teenager:innen, die Unternehmen gründen: Kann das gut gehen? Und selbst wenn die Antwort „Nein“ lautet – warum sollten sie trotzdem dazu befähigt werden und es probieren?.
In der Schule lernen, wie ein Businessplan erstellt wird? Oder wie man ein Unternehmen anmeldet? Wenn es nach Hauke Schwiezer (43) ginge, wäre das ein Muss. „Entrepreneurship Education kommt in unseren Schulen viel zu kurz, mit fatalen Folgen für unsere Wirtschaft und den Arbeitsmarkt“, sagt er. Um diese Lücke zu schließen, gründete der Betriebswirt 2015 die Non-Profit-Initiative STARTUP TEENS, eine mehrfach ausgezeichnete digitale Bildungsplattform, über die Jugendliche im Alter zwischen 14 und 19 Jahren unternehmerisches Denken und Handeln lernen können. Wie das genau abläuft, was die Generation Z besser kann als die Alten und ob es etwas mit Demokratie zu tun hat, wenn unter 25-Jährige im Vorstand sitzen, erzählt Hauke Schwiezer in unserem Interview.
Sie haben Startup Teens gegründet, um Jugendlichen Gründergeist und Unternehmertum zu vermitteln. Wie machen Sie das genau?
Hinter Startup Teens steht ein Netzwerk aus hochkarätigen Vertreterinnern und Vertretern der Wirtschaft sowie ein Mentoringprogramm mit mehr als 800 Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Bereichen, darunter viele Gründerinnen und Gründer, Influencer, IT-Profis und Medien-Experten. Die Jugendlichen können mehrere Angebote nutzen: Auf unserem YouTube-Kanal mit fast 60.000 Abonnenten gibt es bislang über 90 Videos mit exklusiven Inhalten. So berichtet zum Beispiel Fußball-Weltmeister Philipp Lahm über sein erfolgreiches Unternehmertum. Unter dem Stichwort LIVE finden Streamings mit Top-Talenten statt. Aber wir vernetzen uns auch im persönlichen Kontakt – wenn es Corona erlaubt – auf Events mit bis zu 200 Schülerinnen und Schülern und diskutieren die Business-Ideen. Einmal im Jahr veranstalten wir den mit 7 x 10.000 Euro höchstdotierten Businessplan-Wettbewerb in Deutschland. Und natürlich bringen wir die Jugendlichen mit Mentorinnen oder Mentoren zusammen, die zu ihrer eigenen Idee passen.
Warum ist es Ihnen so wichtig, dass aus Jugendlichen Unternehmer werden?
Wir haben in Deutschland eine schwach ausgeprägte Gründer-Kultur, und auch die Zahlen bei der Unternehmensnachfolge sind rückläufig. Einer der Hauptgründe ist sicher die mangelhafte Vermittlung ökonomischer Bildung in den Schulen. Nach dem Report des Global Entrepreneurship Monitors für den Bereich Education liegt Deutschland als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt im internationalen Vergleich auf Platz 36! Das hat natürlich Auswirkungen auf unsere Wirtschaft, die in einer komplexer und digitaler werdenden Welt bestehen muss. Hinzu kommt: Zwei Drittel der 16- bis 25-Jährigen möchten gern ein Unternehmen gründen, wissen aber nicht wie. Sie wissen nicht, wie sie einen Businessplan erstellen sollen, wie sie einfache Programme schreiben können, oder was die Datenschutzverordnung für einen Internet-Shop bedeutet. Und das Wichtigste: Sie haben oft niemanden, der sie ermutigt, an sich und ihre Gründungs-Vision zu glauben. Dabei unterstützen wir sie.
Und die Unternehmen werfen ein Auge auf die jungen Talente, um sie später zu übernehmen?
Die Motivation der Unternehmen, Startup Teens zu unterstützen, ist völlig unterschiedlich. Da reicht die Bandbreite von einem rein gesellschaftlichen Anliegen bis zu der Möglichkeit, frühzeitig mit interessanten jungen Menschen in Kontakt zu kommen. Das Interesse, diese Netzwerkverbindungen aufzubauen, ist fast immer beidseitig. Auf jeden Fall ermöglichen es die Unternehmen, dass wir den Jugendlichen alle Angebote kostenlos anbieten können. Das ist uns sehr wichtig, da es in Deutschland noch immer einen starken Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und beruflichen Chancen gibt.
Was können die Jungen besser als die Alten?
Die Generation Z, also die zwischen 1995 und 2010 Geborenen, ist die erste Generation, die aus echten Digital Natives besteht. Sie sehen Märkte, Produkte und Dienstleistungen in diesem Bereich oftmals früher als die Generation davor und erst recht als die Älteren. Das ist ein riesiges Potenzial. Hinzu kommt, dass diese jungen Menschen mehr auf Augenhöhe im Team arbeiten wollen, ohne die klassischen Hierarchien und die damit verbundenen Dünkel und Besitzstandsansprüche.
Sie fordern sogar, dass in jedem Unternehmensvorstand ein Mitglied unter 25 Jahren sitzen sollte…
Unbedingt! Gerade in heterogenen Teams entstehen substanziell nachhaltigere Lösungen. Vor allem durch das Zusammenführen von Jung und Alt. Das haben wir in Deutschland leider noch nicht begriffen. Es gibt eine wunderbare Statistik aus Amerika, die zeigt, dass ein Viertel der Unternehmen, die später mal eine Milliarde Dollar oder mehr wert sind, von Menschen im Alter zwischen 19 und 24 gegründet werden. Das passiert natürlich nur, weil junge Leute in den USA deutlich früher mit Unternehmertum in Kontakt kommen als in den allermeisten Ländern dieser Welt.
Dann ist es eher eine wirtschaftliche Entscheidung, junge Menschen in die Chefetage zu holen, als eine demokratische?
Ich glaube, dass es erstmal eine Entscheidung ist, die sich nach den Entwicklungsstadien von Menschen richtet. Es gibt medizinische Forschung, die sagt, dass eine Generation alle zehn Jahre etwa 0,4 Jahre früher entwickelt ist als die vorherige Dekade. Die Generation Z ist heute einfach weiter, körperlich und geistig. Sie hat und nutzt zum Beispiel viel mehr Möglichkeiten, sich zu informieren als vor 30 Jahren. Deshalb macht es auch Sinn, junge Menschen mit 16 Jahren wählen zu lassen. Das wäre demokratisch. Aber in Deutschland ist es bisher so, dass sich die Politik mit ihren Wahlgeschenken eher an die Generation 50plus wendet, anstatt darauf zu schauen, wie man junge Menschen befähigen kann. So sind wir peinlich schlecht darin, sozialen Aufstieg aus bildungsfernen Schichten zu ermöglichen. Deshalb hat es sehr wohl etwas mit Demokratie zu tun, dass man junge Leute früher einbindet und natürlich auch deren Argumente früher hört.
Bremsen demokratische Entscheidungen die Wirtschaft aus?
Der Umgang mit „Gründen unter 18“ ist für mich ein Beispiel, das nicht zeitgemäß ist. Man braucht dafür neben der Zustimmung der Eltern auch die des Vormundschaftsgerichts. Dort hat die Person, die für den Jugendlichen eine Entscheidung treffen soll, mit dem Thema Gründen oftmals gar nichts zu tun, und kennt den Gründer oder die Gründerin gar nicht. Das halte ich für geradezu grotesk. Wir plädieren deshalb dafür, das Gründen einer UG ab 16 Jahren zu erlauben, wenn die Eltern zustimmen. Das würde das Thema endlich befeuern. Außerdem geht es mir auf den Keks, dass wir in einem Land leben, in dem wir außer unserem geistigen Kapital keine nennenswerten Rohstoffe mehr haben, und dass wir uns trotzdem so schwer damit tun, Innovationen umzusetzen. Wenn wir den Wohlstand und auch die Sicherheit behalten wollen, müssen wir uns gewaltig strecken, sonst rasseln wir runter.
Sie sind jetzt 43 Jahre alt. Fühlen Sie sich als Unternehmer manchmal alt zwischen den jungen Digital-Talenten?
Natürlich mache ich ständig neue Lernerfahrungen und versuche, Dinge zu verstehen. Das Thema Coding ist zum Beispiel etwas, mit dem ich in der Schule oder in meinem BWL-Studium nichts zu tun hatte, was ich sehr bereue. Und auch bei der Nutzung von Social-Media-Tools ist die Gen Z meistens mehrere Schritte voraus. Aber das ist ja das Schöne, ich darf dazulernen. Wir sind viel zu lange mit dem Motto „Nach meinem Studium muss ich nie wieder lernen und nie mehr den Arbeitgeber wechseln“ durchgekommen. Das ist heute anders, wir lernen lebenslang. Früher war es auch so: Mentoren gaben in einer unglaublichen Güte ihr Wissen kostenlos an junge Leute weiter. Heute gibt es den wunderbaren Begriff „Reverse Mentoring“, also junge Menschen geben ihr Wissen ebenso an Führungskräfte weiter. Das ist eine riesige Chance, und es hat auch etwas mit Größe zu tun. Jeder darf doch ganz realistisch sagen, was er kann, und was er nicht kann. Da bricht einem kein Zacken aus der nicht vorhandenen Krone.
Dieses Interview führte Rena Beeg für die Gemeinnützige Hertie-Stiftung, nachzulesen auch unter https://www.ghst.de/hauke-schwiezer-interview/.