Denkfehler im System: Warum die Generation Z unser Land positiv verändern wird

Über viele Jahre wurde der Generation Z eine goldene Zukunft vorhergesagt. Aufgrund der demografischen Entwicklung sei ihre Position als Arbeitnehmer der Zukunft ausgesprochen gut. Sie könne den Arbeitgebern Bedingungen wie Arbeitszeit und die Einhaltung der Work-Life Balance quasi diktieren. Durch Corona ist schlagartig alles anders geworden, wenn man den zahlreichen Medienberichten der letzten Tage Glauben schenken möchte. Die von 1995 – 2010 Geborenen, die Generation Z, werde es schwer haben. Die Gründe lägen auf der Hand: Es sei eine verlorene Generation, die es weder bei der Job- noch bei der Ausbildungssuche leicht haben werde, die deutlich weniger Geld verdienen würde als erwartet und noch dazu unseren Corona-bedingten Schuldenberg abzubauen müsse.
Status Quo – der richtige Weg?
Für mich sind diese Prognosen Ausdruck eines Denkfehlers im System. Sicher werden viele Unternehmen, die von der Corona Pandemie hart getroffen wurden, weniger Auszubildende einstellen und übernehmen. Sie werden voraussichtlich auch weniger Jobs ausschreiben. Die Jobs werden oftmals auch schlechter dotiert sein, als noch im Jahr 2019. Doch oft sind dies auch Unternehmen, die schon vor Corona die digitale Transformation verschlafen haben und in starren, innovationsfeindlichen Hierarchien und Denkmustern verharren.
Doch ist das der richtige Weg? Eine Krise die dazu führt, dass Deutschland weniger auf junge, innovative Digital Natives setzt? Sollte die Krise nicht eher dazu führen, das genaue Gegenteil zu tun? Die digitale Transformation schneller anzugehen? Neue Märkte, Produkte und Dienstleistungen anzugehen? Damit auch neue zukunftsträchtige Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze zu schaffen?
Der Artikel „Digitales Schwellenland“ (Handelsblatt vom 03.06.2020, Seite 12) geht davon aus, dass die Viruspandemie den Fachkräftemangel eher noch wachsen lässt.
Gen Z möchte Verantwortung
Wie sehr diese Generation unser Vertrauen in sie als unser Zukunftsjoker verdient hat, zeigt eine aktuelle repräsentative Umfrage der Startup Teens unter mehr als 4.000 Jugendlichen bei einer Online-Befragung: Etwa 63% der Befragten will im Job Verantwortung übernehmen, also in den Lead gehen. Knapp die Hälfte, etwa 48%, haben die Gründung eines eigenen Unternehmens vor Augen. Was für ein Potenzial! Und dass, obwohl man dieser Generation so gerne nachsagt, dass sie ihre Freizeit dem Job am liebsten vorziehen würde. Und trotz der Tatsache, dass wir ihnen bildungstechnisch eher eine dürftige Vorbereitung auf diese doch offensichtlich gewollte Verantwortung bieten. Denn auch das ergab die Umfrage: Die Vorbereitung auf das spätere Berufsleben in der Schule benotet diese Generation mit einer aussagekräftigen 3,7. Eine Note, die noch nicht einmal dem Mittelmaß entspricht.

Warum das so ist, zeigt diese Krise in aller Deutlichkeit: Als es in den Lockdown ging, verfielen die meisten Schulen (und Kultusminister) in eine Art Schockstarre oder im anderen Extrem in wilde Betriebsamkeit.
- Programme für Home Schooling?
- Virtuelle Klassenräume mit echten digitalen Lernangeboten?
- Alternative Lernangebote per App?
- Vernetztes gemeinsames Arbeiten?
Fehlanzeige. Das, was die Gen Z als digital Natives in ihrer Freizeit als selbstverständlich empfindet und lebt, hat die Schule in den meisten Fällen schlicht nicht drauf. Und kommt dann gern auch noch einmal mit SMS-Angeboten oder der Aufgabenstellung per Brief. Aufgaben zum Ausdrucken? Wer besitzt überhaupt noch einen Drucker, wenn heute alles online geht? Für die Schüler, die es angeht und die wir auch in solchen Zeiten nicht allein lassen sollten, eine Lachnummer. Oder zumindest nicht ausreichend.
Digitalisierung jetzt, lautet mein Appell an die, die dieses Bildungssystem gestalten. Ihr seid mit dem Digitalpakt (wenn er denn dann flächendeckend kommt) auf dem richtigen Weg, aber nutzt doch in der Zwischenzeit bitte das Potenzial gewillter Lehrer, die oftmals sehr individuell und erfinderisch, ihre Schüler begeistern können.
Schulfach Zukunft
Meine Wunschzettel ist noch länger: Warum, frage ich, lernen wir nicht aus diesen Zeiten (und machen damit aus der Krise eine echte Chance) und passen unser Bildungsangebot nicht nur digital der Zukunft an, sondern auch in Sachen Lehre? Warum gibt es bis heute selbstverständlich das Latein-Vokabelheft aber nicht genauso selbstverständlich den Zukunftsunterricht? Was spricht gegen ein neues Fach, das von der 5. Klasse bis zum Abschluss mit Themen wie Wirtschaft, Gesundheit, Coding und Allgemeinwissen auf das morgen vorbereitet und sich nicht mit einer toten Sprache beschäftigt? Auch, wenn Latein durchaus seine Berechtigung hat, ist ein Schulfach Zukunft künftig unerlässlich.

Ich möchte Unterricht, der zeigt, wie Gründen geht, der die Themen Entrepreneur- aber auch Intrapreneurship thematisiert und so diese verkannte Generation auf etwas vorbereitet, was sie selbst sich wünscht. Noch sind wir weit davon entfernt: In der bereits zitierte Startup Teens-Umfrage wissen 93% der befragten Jugendlichen nicht, was Intrapreneurship bedeutet. https://haukeschwiezer.com/studie/
Länder wie Israel oder die USA haben längst erkannt, welches Potenzial in dieser Generation steckt, wenn man ihr beibringt, wie Unternehmertum funktioniert. Wie gut man daran tut, dieses Denken zu lehren, zeigen eindrucksvoll die USA: Mehr als ¼ der Unternehmen, die später einmal eine Milliarde oder mehr wert sind, werden von 20- bis 24-jährigen jungen Menschen gegründet. https://hbr.org/2014/04/how-old-are-silicon-valleys-top-founders-heres-the-data
Eine Zahl, von der man hierzulande nur träumen kann – die aber sicherlich damit zusammenhängt, dass Deutschland in Sachen Entrepreneurship Education der aktuellen Global Entrepreneurship Monitor-Umfrage weit abgeschlagen auf Platz 36 landet, unter 54 gerankten Staaten. https://www.gemconsortium.org/report
Nehmen wir den Wunsch der Gen Z nach Verantwortung doch ernst, setzen wir doch auf diese Generation, die als digital Natives unsere Welt deutlich digitaler (und nachhaltiger) machen kann als die Generation vor ihr. Lassen wir sie lernen. Digital und zukunftsorientiert. Im Schulfach Zukunft etwa, mit Entrepreneurship Education.
Meine Forderungen für die Zukunft:
- Mehr Entrepreneurship Education an den Schulen: Es bedarf einer soliden Basis an unternehmerischen Denken, Handeln und Programmierfähigkeiten. Davon würden alle profitieren, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft.
- Entrepreneurship-Angebote außerhalb der Schulen: In der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt brauchen wir wesentlich mehr Initiativen von Unternehmen, Stiftungen und Politik, die Zukunftsskills der Gen Z mit Angeboten fördern, auf die digital und sozialinklusiv alle Jugendlichen zugreifen können.
- Coding Angebote in und außerhalb der Schule: Die Erkenntnis, dass Programmieren so essentiell wie Fremdsprachen sein wird, ist nicht neu. Dennoch sind wir beschämend langsam, uns den neuen Bedürfnissen anzupassen. Spätestens ab der 5. Klasse, besser schon spielerisch ab der 1. Klasse muss jede Schule in Deutschland ein dem Alter entsprechendes Angebot haben und die jungen Menschen Zugang zu Hardware ermöglichen. Es braucht einen Fonds einer Public-Private Partnership, um diese Aufgabe kraftvoll anzugehen.
- Echte Vorbilder: Junge Menschen richten ihr Handeln nach nichts mehr aus, als nach ihren Vorbildern. In innovativen Ländern sind dies viel öfter Unternehmer*innen und Manager*innen als in Deutschland. Genau diese müssen wir sichtbar machen, in den Medien, über Social Media, auch in den Unternehmen. Wir müssen Möglichkeiten schaffen, dass sich Vorbilder und Gen Z treffen und austauschen. Reveres Mentoring als ein Schlagwort.
- Innovationskultur in Unternehmen: Gleichzeitig zu meinen Ideen für die Gen Z setze ich mich dafür ein, dass die Innovationskultur, also die Kultur der guten Ideen, in Unternehmen selbstverständlich wird. Heißt: Jeder Mitarbeiter*in kann Ideen liefern – und zwar direkt an den CEO.
- Diversity – Offensive in Unternehmen: Unconscious Bias bei der Einstellung oder der Beförderung, Rassismus, weniger Frauen in Führungsposition im Vergleich zu den männlichen Kollegen, Gender-Pay-Gap oder leider immer noch: Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Probleme liegen auf der Hand. Dennoch: Wie lange sprechen wir in Deutschland schon über diese Missstände? Sollten wir langsam nicht einmal mehr ins Handeln als ins Reden kommen, so dass sich auch wirklich etwas verändert? Denn wir verschwenden hier ein enormes wirtschaftliches Potential, solange wir nicht auf die Diversität setzen und das bezogen auf Geschlecht, Altersgruppen, sozialer Herkunft, Ausbildung oder Religion.
- U-25-Vorstände: Wir können von dieser Generation viel lernen. Zum Beispiel indem jedes Unternehmen, freiwillig und ohne Quote, junge Führungskräfte als Bestandteil heterogener Teams, auf jeder Führungsebene mit einbezieht.
Die Generation Z kann als erste Digital Native Generation ein ganz wichtiger Bestandteil beim Wiederaufbau nach Corona sein. Die Unternehmen, die trotz Corona sehr gut dastehen, haben dies oftmals längst begriffen. Viel zu viele Unternehmen, tradierte politische Strukturen und Verbände jedoch nicht.
The Time for Gen Z Change is now!